In Jesus hinein glauben

Datum: 22. September 2024 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1 Kor 13,13
https://www.vivakirche-leerau.ch/wp-content/uploads/sermons/2024/09/sw-scaled.jpg

Einleitung

Im 1. Korinther 13,13 heisst es, dass Glaube, Hoffnung und Liebe bleiben, auch wenn alles andere vergeht.
Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei bilden das Grundgerüst der christlichen Lehre. Alles, was nicht auf Glaube, Hoffnung und Liebe basiert, ist nicht christlich.
Wenn der Glaube fehlt, oder die Hoffnung oder die Liebe, hat es nichts mit Jesus zu tun, denn bei ihm hören diese drei niemals auf.

Predigtreihe

Deshalb beginne ich meinen Predigtdienst bei euch mit diesen drei Themen. Heute predige ich über den Glauben, nächste Woche über die Hoffnung und übernächste Woche über die Liebe.

Ich kann nicht glauben

Vor einigen Jahren hatte ich einen Zimmermannslehrling. Er war sehr am christlichen Glauben interessiert und stellte viele Fragen. Einmal sagte er zu mir: „Weisst du, Ben, ich würde gerne an Gott glauben, aber ich kann es einfach nicht.“

Ich war etwas überfordert und wusste nicht, was ich dazu sagen sollte.

Was würdest du in so einer Situation sagen?
Hättest du einen Tipp, wie man sich Glauben aneignen oder einüben kann?
Oder fragst du dich vielleicht selbst, welche geistlichen „Muskeln“ du anspannen musst, um Glauben zu erzeugen?
Dann kann ich dich beruhigen – das musst du gar nicht.
Denn der Glaube an Jesus Christus ist keine Fähigkeit.
Aber was ist es dann?
Heute möchte ich nicht so sehr darüber reden, was wir glauben, sondern darüber, was Glaube überhaupt ist.

Zwei Bedeutungen von „Glauben“

Ist dir auch schon einmal aufgefallen, dass wir, je nach Kontext, manchmal etwas völlig anderes meinen, wenn wir 'glauben' sagen? Das ist ganz normal, denn jede Sprache hat Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen.

Ein Beispiel, an was denkst du, wenn ich sage, ich gehe zur Bank?
Denkst du an ein Finanzinstitut oder an eine Sitzgelegenheit? Das wird erst aus dem Kontext klar.
Wenn ich sage: „Ich gehe zur Bank, um Geld zu holen“, meine ich fast sicher nicht die Sitzbank im Park – ausser ich habe neben der Sitzbank einen Schatz vergraben... Könnte ja sein.

Wenn ich „Hahn“ sage, kann das ein Wasserhahn oder ein Güggel sein, wenn ich „Zug“ sage, kann das ein Fortbewegungsmittel sein oder die Spannung im Seil.
Und so wie Bank, Hahn, Zug usw. unterschiedliche Bedeutungen haben, so hat auch das Wort Glauben unterschiedliche Bedeutungen, die wir nicht miteinander verwechseln sollten.

Laut Duden heisst „Glauben“:

1. Etwas für möglich oder wahrscheinlich halten.
2. Vertrauen haben, sich auf etwas oder jemand verlassen.

Das sind zwei unterschiedliche Dinge, die wir beide 'Glauben' nennen.
Um das einfacher unterscheiden zu können, spreche ich jetzt von 'Glauben 1' und 'Glauben 2'.

'Glauben 1' ist unsicher und vergänglich.
'Glauben 2' ist eine feste Überzeugung.

Wenn ich sage: „Ich glaube, dass es morgen schönes Wetter gibt“, ist das 'Glauben 1'.
Es bezieht sich auf etwas, das ich nicht sicher weiss.
Wenn ich aber sage: „Ich glaube an die Menschenwürde“, dann ist das 'Glauben 2'.
Es bedeutet, dass ich überzeugt davon bin, dass jeder Mensch Würde besitzt.

Stell dir vor, du stehst vor einer Prüfung oder einem Vorstellungsgespräch und hast Angst zu scheitern.
Dann ist es einen grossen Unterschied, ob ich sage:
„Ich glaube, du schaffst das“ oder
„Ich glaube an dich“.

„Ich glaube, du schaffst das“ ist 'Glauben 1'. Es bedeutet, dass ich es für wahrscheinlich halte, dass du die Prüfung bestehst oder den Job bekommst, aber es nicht sicher weiss.
„Ich glaube an dich“ ist 'Glauben 2'. Es bedeutet, dass ich volles Vertrauen in dich habe und das sich auch nicht ändern würde, wenn du die Prüfung doch nicht bestehst oder den Job doch nicht bekommst.
Denn ich glaube nicht an die Prüfung, dass sie deinen Wert bestimmt, und ich glaube nicht an die Firma, bei der du dich vorstellst.
Wenn ich an dich glaube, bin ich überzeugt, dass du nichts verlierst, wenn du den Job nicht bekommst, sondern dass die Firma verliert, wenn sie dich nicht anstellen kann.

Siehst du den Unterschied?

„Ich glaube, du kannst das“ ist 'Glauben 1' und bedeutet Unsicherheit.
Jesus nennt das Kleinglaube.
„Ich glaube an dich“ ist 'Glauben 2' und bedeutet Sicherheit.

Über diesen sicheren Glauben steht im Hebräer 11,1:

Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.

Diese feste Zuversicht ist der Glaube, der laut 1. Korinther 13,13 niemals vergeht.

Ein starker Kleinglaube ist immer noch Kleinglaube

Aber wie kommen wir zu diesem festen 'Glauben 2'?
Was hätte ich meinem Lehrling damals sagen können, um ihm wirklich zu helfen?

Zunächst einmal: Wir kommen nicht zu diesem festen Glauben, indem wir im 'Glauben 1' stärker werden. Das wäre so, als wollte ich eine Notenbank, hätte aber nur eine Sitzbank, und würde versuchen, diese Sitzbank zu vergrössern, damit sie hoffentlich zur Notenbank wird. Das funktioniert nicht.

In der Bibel sehen wir mehrfach, wie Jesus den 'Kleinglauben' seiner Jünger kritisiert. Aber ist euch schon mal aufgefallen, wie gross ihr Kleinglaube war?

Wir lesen in Matthäus 14,24–30. Die Jünger überquerten den See Genezareth, aber Jesus blieb zurück, um alleine zu beten:

Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. 26 Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst! , und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin’s; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?

Petrus hatte so grossen Glauben, dass er auf dem Wasser gehen konnte. Und trotzdem sagt ihm Jesus: „Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Petrus hatte einen riesengrossen Kleinglauben.
Das Problem war also nicht, dass er zu wenig Glauben hatte.
Sein Problem war, dass er den falschen Glauben hatte.

Noch deutlicher wird es wenige Seiten weiter. Die Jünger von Jesus versuchen, einen Dämon auszutreiben. Sie glaubten, dass sie das können, und waren erstaunt, als es doch nicht funktionierte.
Später fragten sie Jesus, wieso sie das nicht konnten, und er antwortete: „Wegen eures Kleinglaubens. Denn wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so könnt ihr sagen zu diesem Berge: Heb dich dorthin! , so wird er sich heben; und euch wird nichts unmöglich sein“ (Mt 17,20).

Jesus sagt nicht, dass wir grossen Glauben haben sollen. Ein Senfkorn ist sicher nicht gross.
Jesus sagt, dass wir eine andere Art von Glauben haben sollen.
Und zwar die Art von Glauben, bei dem die Grösse keine Rolle spielt.
Oder besser gesagt, bei dem unsere Grösse keine Rolle spielt.

Der 'Glauben 1', also die Annahme, dass etwas wahr ist, kann gross sein – dann bin ich mir ziemlich sicher. Oder klein – dann bin ich mir überhaupt nicht sicher.
Aber beim 'Glauben 2', also dem Vertrauen auf jemanden, spielt es keine Rolle, wie stark mein Glaube ist. Beim 'Glauben 2' ist nur relevant, wie stark derjenige ist, auf den ich mich verlasse.

Oder wie es Hudson Taylor, einmal sagte:
„Nicht großen Glauben brauchen wir, sondern Glauben an einen großen Gott.“

Pisteuo eis

Wir kommen also nicht zu diesem Glauben, indem wir im Kleinglauben stärker werden. Aber wie dann sonst?
Um diese Frage zu beantworten, mute ich euch ein bisschen griechische Grammatik zu ... aber keine Angst. Das wird nicht kompliziert. Den komplizierten Teil meiner Predigt habt ihr bereits überstanden – jetzt wird es nur noch einfacher.

In Johannes 3,16 steht:

Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben [πιστεύων εἰ], nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh 3,16)

Johannes hat das auf Griechisch geschrieben, und wir haben es auf Deutsch übersetzt.
Auf Griechisch steht da:
‹Pisteuo eis› (πιστεύω εἰς)
‹Pisteuo› ist das Vertrauen innerhalb einer Beziehung.
‹Pisteuo› beruht auf dem ‹Piston› des Anderen. Das heisst, auf seine Zuverlässigkeit, seine Vertrauenswürdigkeit und seine Treue.
Ein Ehemann kann auch ‹Pistos› genannt werden, also der Mann meines Vertrauens.
Und eine Ehefrau kann ‹Pisté› genannt werden, also die Frau meines Vertrauens.
‹Pisteuo› gegenüber Gott ist immer eine Reaktion auf das, was Gott tut.

Gehorsam

Wenn Gott uns zu etwas auffordert, ist ‹Pisteuo› Gehorsam. Und zwar nicht Gehorsam aus Pflicht, und schon gar nicht aus Zwang, sondern aus der Überzeugung heraus, dass alles, was von Gott kommt, gut ist.
Dementsprechend ist ‹Apistos› der Unglaube – eine Angst, dass wir etwas verpassen könnten oder zu kurz kommen, wenn wir nach Gottes Geboten leben.

Hoffnung

Wenn Gott uns etwas verspricht, dann ist ‹Pisteuo› mein Vertrauen darauf, dass Gott sein Versprechen auch hält. Das wäre dann die Hoffnung, über die ich nächsten Sonntag predigen werde.

In hinein

Aber hier haben wir noch das Wörtchen ‹eis›. Direkt übersetzt heisst diese Präposition ‹ins›,
Wie: „Ich gehe ‹ins› Haus hinein, oder ich steige ‹ins› Wasser.

Und so heisst ‹Pisteuo eis› genau genommen ein Glaube in Jesus,
also das mein Glaube in Jesus hinein geht.
Dass können wir mit der Deutschen Gramatik nicht so genau ausdrücken, wir können es nur umschreiben. Auf englischen geht das, da sagen wir: „I belife in Jesus“.

Manchmal sagen wir ja, dass wir Jesus in unser Herz hineinlassen sollen.
Aber die Grammatik in der Bibel betont es aber gerade andersrum.
Es ist Jesus, der uns in sein Herz hineinlasst, und Glauben heisst, dass wir diese Einladung annehmen.

Glauben als Entscheidung

Ich erkläre das mit einem Bild:
Stell dir vor, tief in dir ist etwas sehr Kostbares, das du unbedingt zum Leben brauchst. Aber es ist auch sehr verletzlich.
Es ist wichtig, dass du nicht jeden da ran lässt, aber auch wichtig, dass du es nicht zu tief in dich hinein vergräbst, denn wenn du es gar niemandem zeigst, dann kannst du nicht leben.
Es ist dein Vertrauen.

Ich habe hier einen Kristallball, der symbolisch für unser Vertrauen steht.
An Jesus zu glauben, heisst, dass du diesen verletzlichen Ball dorthin bringst, wo es am sichersten ist. Nämlich ins Herz von Jesus hinein.
Glauben an Jesus ist also keine Fähigkeit, die man trainieren kann, sondern eine bewusste Entscheidung. Es ist die Entscheidung, Jesus unser Vertrauen anzuvertrauen.

Schluss

Laut 1. Korinther 13,13 wird dieser Glaube niemals vergehen.
Was bedeutet das für uns? Es bedeutet, dass wenn wir Jesus unser Vertrauen anvertrauen ... dann wird er es nie, nie – gar nie verletzen.
Amen.

Serien

Weitere Predigten

He is Risen

20 April 2025
Bei Jesus ist der Tod nicht das Ende, sondern der Anfang eines weiteren grösseren Lebens.